Neuregelung der Erbschaftssteuer in Andalusien 2018 und 2019
1. Einleitung
Kein anderes Thema bewegt die Deutschen in Spanien – in unserem Fall Andalusien – so sehr wie das Erbrecht und das Erbschaftssteuerrecht.
In Zeiten des Expertentums auf fast allen Bereichen, möchte ich dem Laien mit folgendem Artikel erklärend beistehen, so dass er zum sachverständigen Laien wird.
Was müssen Sie vorab wissen, um die weiter unten, unter Ziffer 2 beschriebenen Änderungen zu verstehen?
a)
Zunächst müssen Sie immer einen Unterschied zwischen dem Erbrecht und dem Erbschaftssteuerrecht machen. Das rein materielle Erbrecht findet sich in den Zivilgesetzbüchern wieder und behandelt z.B. die Frage wer erbt wenn kein Testament vorhanden ist, was darf der eingesetzte Testamentsvollstrecker, wie berechne ich den Pflichtteilsanspruch, etc.?
Das Erbschaftssteuerrecht betrifft die Frage wo und wieviel Erbschaftssteuer zu bezahlen ist und wird in den Steuergesetzen geregelt.
b)
Für deutsche Staatsbürger ist wichtig zu verstehen, dass in Spanien die Gesetzgebungskompetenz für die Erbschaftssteuer bei den „Comunidades Autónomas“ den Bundesländern liegt und nicht wie in Deutschland beim Zentralstaat. In diesem Artikel spreche ich von Andalusien. Nun können Sie auch Sätze verstehen wie: „In Andalusien wird bis zu 100% mehr Erbschaftssteuer auf den gleichen steuerlichen Vorgang bezahlt als in Madrid“. Klingt unglaublich, stimmt(e) aber.
Ein Beispiel: Ein Sohn erbt vom Vater 800.000 €. Er zahlt an Erbschaftssteuer auf den Kanarischen Inseln 200 €, 2.000 € in Madrid und 208.159 € in Andalusien sowie in Asturien, 205.920 €. Kaum zu glauben! Dies ist die Konsequenz der dezentralen Steuergesetzgebung der Bundesländer aufgrund der in der Verfassung festgelegten Gesetzgebungskompetenz für die spanischen „Comunidades“. Als Anwalt müsste man insofern einem in Spanien kaufwilligen, zukünftigen Erblasser empfehlen, eine steuerliche Due Diligence vor dem Erwerb durchzuführen.
c)
Weiterhin müssen Sie den Unterschied zwischen Erbschaftssteuer in Form eines progressiven Prozentsatzes und den sogenannten Freibeträgen, bzw. Freigrenzen verstehen.
Die Erbschaftssteuer wird mit einem Prozentsatz, der progressiv ansteigt, gemäss einer gesetzlich veröffentlichen Tabelle, festgelegt. Den grossen Unterschied machen aber die verschiedenen Freibeträge. In Deutschland z.B. sind die Freibeträge zwischen Ehegatten auf 500.000 € festgelegt. Zwischen Eltern und Kindern liegen sie bei 400.000 €. Nachdem Erbschaftsteuer und Schenkungssteuer in Deutschland gleich behandelt werden, kann man diese Beträge alle 10 Jahre an den anderen steuerfrei übertragen. Deswegen führt eine geschickte Steuerplanung in Deutschland dazu, dass fast überhaupt keine Erbschaftssteuer mehr bezahlt wird. Man spricht von einem Erbschaftssteueraufkommen in Deutschland von 0,4 – 0,6 % am Jahresbudget. Dies deckt fast nur die Kosten der Einziehung der Erbschaftssteuer.
Dieses uns aus Deutschland bekannte Freibetragssystem wird in Spanien sehr uneinheitlich angewendet. Im Volksmund heisst es dann „die Erbschaftssteuer ist hoch oder niedrig“. Dies stimmt so nicht. Es kommt auf die Höhe der Freibeträge an. Wir Deutschen gehen immer selbstverständlich von Freibeträgen aus. Ein Freibetrag ist der Abzugsbetrag der immer erhalten bleibt, selbst wenn der Wert der Erbschaft diese Summe übersteigt. Eine Freigrenze verfällt bei Überschreiten.
Beispiel: Es werden 500.000 € vom Vater an den Sohn vererbt. Der Freibetrag beträgt 400.000 €. Insofern werden nur 100.000 € versteuert. Würde es sich bei den 400.000 € nicht um einen Freibetrag sondern um eine Freigrenze handeln, so wäre diese Freigrenze um 100.000 € überschritten und somit wären 500.000 € zu versteuern. Auch dieser wesentliche Unterschied ist wichtig, um die neuen Regelungen in Andalusien im Jahr 2018 zu verstehen.
d)
In den Jahren 2014 bis 2018 gab es drei wesentliche Änderungen im Bereich des Erb- und Erbschaftssteuerrecht, die von juristischen Laien regelmässig durcheinandergebracht werden. Ich möchte sie kurz darstellen.
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- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 03.09.2014 festgestellt, dass die spanische Erbschaftssteuer (betrifft alle Bundesländer in Spanien) die Nichtansässigen unzulässig diskriminiert hat. Daraufhin hat Spanien mit Gesetz 26/2014 vom 27.11.2014 sein Recht geändert. Nunmehr werden Nichtansässige und Ansässige gleich besteuert, wenngleich auch eine unterschiedliche Besteuerung in den verschiedenen „Comunidades“ nach wie vor gegeben ist. (Siehe Ausführungen oben)
Dies führte natürlich dazu, dass Mandanten die unterschiedlich veranlagt wurden, zu viel gezahlte Erbschaftssteuer zurückbezahlt bekommen haben. Unsere Kanzlei hat einige Verfahren durchgeführt und die Mandanten haben in sämtlichen Fällen die überbezahlten Beträge zurück erhalten. (Bei diesem Thema handelt es sich ausschliesslich um ein erbschaftssteuerrechtliches Thema).
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- Für Todesfälle ab August 2015 gilt die neue Europäische Erbrechtsverordnung. Diese Erbrechtsverordnung hat für weiteres Durcheinander und etliche Fehlvorstellungen beim Laien gesorgt. Es handelt sich bei dieser Verordnung um ein ausschliesslich materiell rechtliches Gesetz. Dieses Gesetz regelt nicht die Erbschaftssteuer. (Sie sehen jetzt, warum ich diese Unterscheidung oben unterstrichen habe).
Der Gedanke, der hinter dieser Europäischen Erbrechtsverordnung steckt, ist der der Vereinheitlichung der Abwicklung von Erbschaften innerhalb Europas. Aus meiner Sicht hat die Verordnung vieles aber auch komplizierter gestaltet.
Wesentlicher Unterschied ist, dass nicht mehr das Nationalitätsprinzip gilt für die Frage, welches materielle Erbrecht anwendbar ist. Das heisst, wer hat welche Staatsangehörigkeit, bzw. welchen Pass, sondern es wird in dieser Verordnung neu bestimmt, dass das materielle Recht des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ des Verstorbenen anzuwenden ist. Also das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch oder der spanische Códico Civil. Dies kann sich natürlich bei Deutschen, die in Spanien leben, nachteilig auswirken.
Ich bin mir sicher, dass die meisten der Rentner die in Spanien leben gar nicht gemerkt haben, dass sich ihre Erbfolge im August 2015 sozusagen über Nacht geändert hat. Für die Allermeisten, die in Spanien ihre Renten versteuern und die damit spanische Steuerbürger sind, ist anzunehmen, dass der gewöhnliche Aufenthalt Spanien ist. Unglücklicher Weise ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ in der Verordnung nicht definiert worden. Aus diesem Grunde können wir nur annehmen, dass ähnlich wie im Steuerrecht gemeint ist, dass jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo er mehr als 183 Tage im Jahr lebt. Für Rentner die in Spanien versteuern, gilt dies. Um es kurz zu machen: für diese Rentner gilt ab 2015 das spanische materielle Erbrecht, welches insbesondere im Ehegattenerbrecht vom Deutschen Erbrecht vollkommen verschieden ist.
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- Die allerwichtigste Neuerung in den letzten Jahren ist die, die in Andalusien ab 2018 gilt. Seit 2018 gibt es in Andalusien zwischen engen Familienangehörigen im Rahmen der direkten Erbfolge einen Freibetrag von 1 Mio. €. Dieses Thema, welches brandaktuell ist und welches regelmässig in Literatur und Aufsätzen falsch dargestellt wird, soll Thema meiner heutigen Darstellung sein.
Diese etwas längere Einführung von a-d war aber unerlässlich, um genau zu verstehen worum es geht. Leider sind die meisten Aufsätze in diesem Bereich in deutscher, englischer und spanischer Sprache einfach falsch oder zumindest lückenhaft.
2. Die neue erbschaftssteuerliche Situation in Andalusien ab dem 01.01.2018
In Andalusien gilt für Todesfälle ab dem 01.01.2018 eine Änderung im Erbschaftssteuerrecht. Es wurde ein Freibetrag von 1 Mio. € im engsten Verwandtschaftsverhältnis eingeführt. Leider blieb es bei den euphorischen Artikeln und Ankündigungen in der Presse bei dieser Information die zwar stimmt, die allerdings mit zwei wesentlichen ABERS oder wie man im Spanischen sagt, „letras pequeñas“ versehen wurde.
Zunächst sei gesagt, dass es sich bei dieser 1 Mio. € in der Tat um einen Freibetrag und nicht, wie oben dargestellt, um eine Freigrenze handelt. Einige Steuerberater die Sie zu diesem Thema konsultieren, werden Ihnen nach wie vor erklären, dass bei Überschreiten dieser 1 Mio. €, das heisst bei einer Erbschaft von z.B. 1,1 Mio €, auf den gesamten Betrag Steuern zu bezahlen sind. Dies ist falsch! Im vorgenannten Beispiel wäre nur auf 100.000 € Steuern zu bezahlen. Warum kommt es hier bereits zu ersten Falschberatungen? Ganz einfach, weil die Regelung für das Jahr 2017 noch eine Freigrenze und keinen Freibetrag vorsah. Im Jahr 2017 war es in Andalusien so, dass Erbschaften bis 250.000 € unversteuert blieben, bei z.B. 260.000 € wurde der Gesamtbetrag versteuert. Es hat also in 2018 nicht nur eine Anhebung dieses Betrages von 250.000 € auf 1 Mio. € stattgefunden, sondern auch noch ein Wechsel von der Qualität dieses Betrages als Freigrenze zu einem Freibetrag.
Nach der oben dargestellten Einführung müsste verständlich geworden sein, worum es geht. Eine weitere Einschränkung, die schon im Jahr 2017 galt und auch für die neue Periode ab 2018 gleich geblieben ist, und die regelmässig vergessen wird ist, die Einschränkung des Vorvermögens bis zu 1 Mio. €. Ich möchte kurz erklären worum es geht:
Beispiel: Ein Erbe (in unseren Beispielen der Sohn) hat 1,1 Mio. € Vorvermögen in Andalusien und erbt vom Vater noch 1 Mio. €. Der Sohn frohlockt nach der Freibetragsregelung und weist seinen Steuerberater an nur für 100.000 € Erbschaftssteuer in Andalusien zu erklären. Falsch! Bei Überschreiten des Vorvermögens von 1 Mio. € gibt es überhaupt keinen Freibetrag mehr. Ergebnis: Es wird Erbschaftsteuer auf 1 Mio. € bezahlt. Sie müssen also unterscheiden, ob der Freibetrag bzw. das Vorvermögen (in beiden Fällen 1 Mio. €) überschritten wurde.
Diese Einschränkung betrifft wohlhabende, ausländische Ansässige in Andalusien und relativiert für manche die Euphorie hinsichtlich der 1 Mio. € Freibeträge.
Machen wir ein anderes Beispiel zur Verdeutlichung. Der Sohn erbt von seinem Vater 2 Mio. in Andalusien. Der Sohn hat ebenfalls ein Haus in Andalusien, gerade eben erworben, mit einem Kaufpreis in der notariellen Urkunde von 999.000 €. Damit gilt der volle Freibetrag in Höhe von 1 Mio. € und er versteuert nur 1 Mio. € die er vom Vater geerbt hat.
Variante: Der Sohn hat das Haus für 1.000.001 Mio. € erworben und erbt nun die besagten 2 Mio. €. Vom Vater. Der Sohn versteuert volle 2 Mio. €, da der Freibetrag von 1 Mio. € nicht zur Anwendung kommt, da das Vorvermögen um 1 € überschritten wurde.
Ich hoffe diese wesentliche Einschränkung ist deutlich geworden. Wiederum gilt: Lassen Sie sich ausführlich beraten. Ich persönlich gehe allerdings davon aus, dass diese Klausel zukünftig wegfällt, bzw. geändert werden wird. Es werden wieder zu viele Streitfälle entstehen, wie z. B. in Fragen der Bewertung. (Das Finanzamt wird sich vermutlich an dem Wert, der in der Vermögenssteuererklärung erklärt wurde, orientieren).
In unserem Beispiel hatten wir ein kürzlich erworbenes Haus des Erben aus Transparenzgründen verwendet. In diesen Fällen gilt der Kaufpreis in der Urkunde. Was aber wenn das Haus bereits 30 Jahre in seinem Besitz ist oder was gilt bei Firmen, Produktionsstätten, Gesellschaften, etc., wie rechnet man Vorvermögen zusammen? Hier werden wieder die Sachverständigen bemüht werden und wie wir wissen, sind Gutachten flexibel und dehnbar. Warten wir also ab, wie sich die Sache weiter entwickelt.
3. Der Steuersatz
Ab 9. April 2019 wurde zusätzlich zur neuen Freibetragsregelung auch die Erbschaftssteuer als solche auf 1% der bisher errechneten Erbschaftssteuer reduziert.
Im Ergebnis bleibt also immer das Vorvermögen des/der Erben zu prüfen.
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