Die Europäische Erbrechtsverordnung ist nach wie vor den meisten Betroffenen unbekannt
Die EuErbVO ist bereits im August 2012 in Kraft getreten und gilt für Todesfälle ab dem 17.08.2015. Diese Verordnung hat weitgehende Veränderungen auf dem Gebiet des Erbrechts mit sich gebracht, deren Darstellung in einem kurzen Artikel nicht möglich ist.
Mir geht es bei diesem Artikel in erster Linie darum, dass die Existenz dieser Verordnung vielen der in Spanien lebenden Deutschen bekannt wird. Denn auch, ohne dass man davon weiß, kann die EuErbVO grosse Auswirkungen auf die erbrechtliche Situation nach Todesfällen haben.
Diese Verordnung ist vom Europäischen Parlament und dem Rat erlassen worden, um unter anderem die Zuständigkeit über das anzuwendende materielle Erbrecht (nicht Erbschaftssteuerrecht – hier bleibt es bei den nationalen Regeln) in Europa klarer zu gestalten.
Bisher galt: Egal wo ein deutscher Staatsbürger auf der Welt verstirbt, es kommt das deutsche materielle Erbrecht – also das Bürgerliche Gesetzbuch – zur Anwendung.
Jetzt gilt: Es kommt das Erbrecht des Landes zur Anwendung, in welchem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt hatte.
Was aber unter gewöhnlichem Aufenthalt zu verstehen ist, wird in der Verordnung nicht erwähnt. Man kann jedoch nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, d.h. es ist festzustellen, wo der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt innehatte – natürlich unter Berücksichtigung jedes Einzelfalles und unter Würdigung aller Gesamtumstände.
Beispiel:
Ein deutscher Staatsbürger verstirbt in Málaga. Er hat seine Renten ordnungsgemäß in Spanien versteuert und bezieht noch Mieteinkünfte aus einer Eigentumswohnung in Marbella. Er selbst lebte in einem Haus in Málaga.
Für diesen Fall, in welchem der Erblasser unbeschränkter spanischer Steuerbürger war, ist wohl anzunehmen, dass sein Lebensmittelpunkt in Spanien lag.
Falls dieser Erblasser nun kein spanisches Testament bzw. deutsches Testament verfasst hat, werden seine Erben in Deutschland einen Erbschein beantragen. In diesem Zusammenhang wird festgestellt, ob der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Spanien oder Deutschland war. Bei dem obigen Beispiel, würde das materielle, spanische Erbrecht, gemäß „Código Civil“ gelten und nicht das Bürgerliche Gesetzbuch.
Das spanische, materielle Erbrecht unterscheidet sich aber wesentlich vom deutschen Erbrecht. Dies wäre dann für alle Beteiligten eine grosse Überraschung.
Wie kann man diesem Dilemma abhelfen? Indem man zu Lebzeiten ein spanisches Testament verfasst, nur für das Vermögen in Spanien, in welchem deutsches Recht gewählt wird. Diese Rechtswahl ist gemäss Art 21 Abs 1 EuErbVO möglich. Es macht daher Sinn, seine letztwilligen Verfügungen, diesbezüglich überprüfen zu lassen.
Ich möchte zwei weitere, wesentliche Punkte der neuen Europäischen Erbrechtsverordnung erwähnen.
Für den Fall, dass der gewöhnliche Aufenthalt in Spanien liegt und auch deutsches Recht gewählt wurde und der Erblasser in Spanien gemeldet war, befinden sich die Erben in der vorteilhaften Situation, in Spanien ein sogenanntes ENZ (Europäisches Nachlasszeugnis) zu beantragen. Dies geht in Spanien relativ einfach über die Notariate und nicht die Gerichte. Das heisst, es geht schnell und es kostet wenig. Dieses ENZ gilt dann überall in Europa.
Es wird natürlich vom Notariat der Nachweis verlangt, dass Spanien der gewöhnliche Aufenthalt war. Wie zuvor gesagt, kann dies anhand der unbeschränkten Steuerpflicht bzw. und/oder der Eintragung im Einwohnermeldeamt nachgewiesen werden.
Dann sind Sie nicht auf die Beantragung eines deutschen Erbscheins angewiesen, der wie schon gesagt wesentlich viel mehr Zeit in Anspruch nimmt und überraschend teuer werden kann.
Ein weiterer, ganz wichtiger Punkt in der Erbrechtsverordnung ist der Anwendungsbereich nur auf materielles Erbrecht und nicht auf das Erbschaftssteuerrecht. Diese Kompetenz bleibt nach wie vor bei den Nationalstaaten. Leider wird diese Unterscheidung nicht immer gesehen.
Wenn Unklarheiten hinsichtlich Ihrer letztwilligen Verfügung auftauchen, sollten Sie dringend überprüfen, inwiefern die Europäische Erbrechtsverordnung für Sie ungewollte Änderungen enthalten könnte.
Gerne können Sie uns hierzu kontaktieren und wir beraten Sie gerne.